Werk


1933
"Hoböschoatn", erschienen im Selbstverlag
1949
"Spatzngsang und Spinnawittn", erschienen im Selbstverlag
1969
"Zeidigö Zwötschkn"


Albrecht Etz

"I trag ma nix zsamm..."

Zum 10. Todestag von Hans Schatzdorfer

I trag ma nix zsamm
wia all Ehr um mein Nam,
der aft dableibt für mi,-
"wann i lang nimma bi".
("Zeidige Zwötschkn", S. 37)


Hans Schatzdorfer gilt als einer der bedeutendsten Mundartdichter unseres Landes. Obwohl er sich selber nie als "Dichter" bezeichnet hat, höchstens als "Künstler", hielt man ihn bereits zu seinen Lebzeiten für einen Dichter. Mit ihm geschah freilich nicht, was so vielen anderen Autoren widerfuhr, nämlich, dass sie in ihrem Leben hochgejubelt wurden und nach ihrem Tod rasch in Vergessenheit gerieten. Oder, wie es zum Beispiel mit Adalbert Stifter oder Franz Kafka geschah, dass ihr Schaffen zeit ihres Lebens nicht verstanden und ihnen erst lange nach ihrem Tod die gebührende Wertschätzung zuteil wurde. Ein wahrer Dichter ist jener, der nicht für den Augenblick schreibt. Dies tun die Schriftsteller. Werke eines Dichters überdauern die Zeiten, denn er schafft Bleibendes, Allgemeingültiges, das nach Jahren und Jahrzehnten noch wirksam ist. Bei Hans Schatzdorfer ist festzustellen, dass sein schriftstellerisches Schaffen von seinen Zeitgenossen freudig aufgenommen wurde und dass diese Wertschätzung über seinen Tod hinaus unvermindert anhält....

Rufen wir uns den Umfang von Schatzdorfers Schrifttum ins Gedächtnis. "Hoböschoatn" (184 Seiten) kam 1933 als erstes heraus. 1949 folgte "Spatzngsang und Spinnawittn" (160Seiten) und "Zeidige Zwötschkn" (151 Seiten), das auch das bedeutende Epos "`s Drahbröttlgspiel" enthält, erschien 1969. Gelegenheitsdichtungen, die man von ihm in Verkennung seiner Art verlangt hatte, also gereimte Erzählungen mit einer knalligen Pointe am Schluss, mied er, soviel er konnte. Er hat keine von ihnen in seine Bücher aufgenommen. Hans Schatzdorfer war kein eilfertiger Schreiber, sondern ein bedenkender Künstler, der Scheu empfand, seine Gedichte der Öffentlichkeit preiszugeben.

Nunmehr, zehn Jahre nach Hans Schatzdorfers Tod, lässt sich seine literarische Leistung schon mit grösserer Zuverlässigkeit erkennen. Wir glauben zu wissen, warum wir es bei seinem Schaffen mit einer die Gegenwart überdauernden Leistung, zu tun haben, zehn Jahre nach seinem Tod nutzt aufgeschwatzte Berühmtheit nichts mehr. Der Autor steht zeitlichen Flitters entkleidet vor uns und wird in all seinen künstlerischen Umrissen beleuchtet. Poetische Leistung lässt sich bekanntlich nur abwägen, wenn der Autor neben seine Vorgänger gestellt wird, wenn er an seinen Zeitgenossen gemessen wird, und wenn wir fragen, ob er uns heutigen Menschen noch immer etwas zu sagen hat.

Schatzdorfers Leistung als Mundartdichter hat einen Vergleich mit seinen literarischen Vorgängern, selbst mit Franz Stelzhamer, nicht zu scheuen. Er verstand sich, wie übriges viele andere auch, als einen Nachfahren Stelzhamers. Viele von diesen anderen schwammen im mundartlichen Fahrwasser des großen Franz von Piesenham, ohne dessen kernige Sprache und dichte Aussagekraft zu erreichen. So mancher glitt ab ins Süssliche, ins Rührselige, oder schrieb farblos und kraftlos dahin. Nicht so Hans Schatzdorfer. Er war nie sentimental. Denn ein echter Innviertler bäuerlichen Typs ist nie sentimental. Er hatte den ganzen Stelzhamer gelesen. Gelesen haben ihn freilich auch andere, aber er hat ihn verstanden, er, dessen Heimathaus nur wenige Schritte von Stelzhamers "Vadanhaus" entfernt lag, der auch die Umwelt und den Geist, der in Großpiesenham herrschte, an seinem eigenen Leben erfahren hatte, war der aufrichtigste- freilich auch der genialste- unter den Nachfahren des Franz Stelzhamer. Schatzdorfer hätte, vom Geburtsort und von Lebensart und Temperament her, leicht ein Enkel seines grossen Vorbildes gewesen sein können. Er begann bereits als Schulbub, seinen Stelzhamer zu lesen, ja seitenweise auswendig aufzusagen, ehe er in der an Stelzhamer orientierten oberösterreichischen Mundarttradition selber zu "dichten" anfing. Sein ganzes erstes Buch und so mancher Beitrag zum zweiten atmen noch ganz den Geist des großen Vorbildes. Hier als Beispiel sein "Sing, Vogerl, sing:" (Spatzengsang,S.9):

"Floig di umīs Fuada nöt
Tag für Tag zītaod.
Laß do dein Müahsal drum;
sing um dein Braot.
A Bröckerl fürs Gsötzerl
kriagst überall zīGwinng.
Und wia leicht kunntīs a Brocka wern?
Sing, Vogerl, sing!!

Bereits im zweiten Buch, in "Spatzngsang und Spinnawittn", spüren wir, wie Schatzdorfer sich von der Tradition allmählich löst und einen immer eigenständigeren Weg einschlägt, den Meistergedichten seiner "Zeidign Zwötschkn" entgegen.

Ein Thema,das bei Franz Stelzhamer auffällt, da sich aber auch durch das gesamte Werk Hans Schatzdorfers wie ein roter Faden zieht, ist die Suche nach dem Glück. Sein Leben lang ringt der Schatzdorferīsche Mensch um Glück, Geborgenheit, innere Zufriedenheit.

Vo lauta Wann und Aber,
vo lauta Scham und Scheu,
rennst gern, und öfta blind-
und dumm
bon größt'n Glück vobei.


("Spatzngsang", S.22)
In dieser Position sieht sich der Dichter immer und immer wieder. "Rafn muaß da Mensch sein Löbta" (Zeidige Zwötschkn", S.22), doch das wahre Glück ist ihm nicht vergönnt. "Um's Glück: I suachat und i find di nöt. I ruafat und du hörst mi net..." (Spatzngsang", S. 33). Im Gefolge aller Mühen, "dass i mein Glück dalaf", kommt die Erkenntnis:" Wann i moan, i hanīs zon Greifn, greif i laar - as is davon" (ebd., S. 32). Er fleht um "Grad an oanzigs Stäubal Glück" ("Zeidige Zwötschkn", S. 18). Doch alle Versuche, das Glück zu erzwingen, auch mit Hilfe von Geld und Lotteriespiel, wie etwa im "Drahbröttlgspiel", scheitern letztendlich.

"`s Gück muaß ma razn, dassīs anbeißt. As schwimmt oan nöt zua ahne Köda" ("Zeidige Zwötschkn" S. 104), sagt nur der Widersacher, der Händler im "Drahbröttlgspiel". Ihm tritt eine innere Stimme, das mahnende Wort seiner Mutter entgegen: "Wer für an Radlbock geborn is, kimmt nia zo an Roß, dass a reitn kunnt." (ebd. S. 126). Es ist gleichsam ihr Testament, das der Dichter letztenendes in seiner Richtigkeit auch anerkennt: Dem Menschen ist sein Wohl und Weh von oben vorherbestimmt, und das grosse Glück bleibt dem kleinen Mann fern.

Neben dem Verlangen nach dem Glück kreisen Schatzdorfers Gedanken immer wieder um ein anderes Thema, nämlich um das Verständnis für die Schwächen des Menschen, für seine Unzulänglichkeiten im Denken und Handeln. "Wöhr di, wannst kannst" ("Spatzngsang", S. 63), "Prödig" (ebd. S. 66) und "I han koan Geduld"(Zeidige Zwötschkn", S. 28) sind treffende Beispiele. Das Gedicht "Mein Vürnehma" (ebd. S. 36), das von seinem Leichtsinn im Umgang mit dem Geld handelt, erinnert uns unwillkürlich an Franz Stelzhamer. Auch er war häufig in großer Geldnot. Beide liebten es, am Wirtshaustisch zu sitzen und in feuchtfröhlicher Gesellschaft so manche Nacht dem Bier und dem Wein zuzusprechen (vgl."Wirthausgsang", ebd.., S. 34).

Schliesslich war beiden die Freude an der Musik gemeinsam, wobei Schatzdorfer gewiß derjenige mit dem feineren Ohr war. Man schätzte ihn als einen tüchtigen Landlergeiger. Und als er die Tischlerei aufgab, um einen Posten bei der Lagerhausgenossenchaft in Ried anzunehmen, blieb er seiner Liebe zum Holz treu, indem er selber Geigen baute. Von den achtzehn Geigen, die Schatzdorfer fertigte, sind die letzten elf als wahre Meistergeigen geraten. Sein ausgeprägtes musikalisches Empfinden ist auch seiner Dichtung zugute gekommen. Im Gebrauch des Metrums ist er absolut sicher (was man von Stelzhamer nicht immer sagen kann). Ja das Metrum wird bei ihm oft Ausdruck einer inneren Stimmung. Da ist zum Beispiel das frühe Gedicht "Mir Innviertla" ("Spatzngsang", S. 10), welches das Wesen der Bewohner des Innviertels charakterisiert. So wie Schatzdorfer sich der Vorliebe der Innviertler für den Landlertanz zuwendet, ändert sich der innere Rhythmus seiner Verse zu einem vollendeten Landlertakt. (Man beachte die Stelle: "Ja - 's landarösch Tanzn...")

Schatzdorfers Leistung darf sich mit der Franz Stelzhamers wohl messen. Der Leistung seiner Zeitgenossen, der Mundartdichter unseres Jahrhunderts, steht Schatzdorfer gleichfalls um nichts nach. Freilich darf dichterisches Schaffen nie nach dem subjektiven Gefühl beurteilt, es muss nach objektiven Gundsätzen gemessen werden. Vergleichen wir Schatzdorfer mit anderen Mundartdichtern, so können wir ohne Übertreibung oder Parteilichkeit feststellen: sein dichterisches Bild lebt durch eine Prägnanz der Sprache wie bei kaum einem andern. Als Beispiel mögen die ersten fünf Zeilen seines "Drahbröttlgpiel" stehen:


Gring draht si dīWelt afīn Erdbodn
mit dir Tag und Nacht,
wannst a Geld hast.
's Geld is a Herrgott dafür.
Ahne Geld muaßt af d' Seit stehn
und zuaschaun.
D' Welt is a lustigs,
a liadaligs Weibsbild
und laßt si gern kafn.
D' Welt is a herrlige Frau, aba geizi
und volla Finessn.
Wannst eahm all Augenblick an goldaran
Brocka a d' Schaoß schmeißt,
aft mag s' di.-


Die Bildhaftigkeit wird durch das Personifizieren der "Frau Welt" geradezu überhöht, und die einzelnen Sätze erhalten sprichwörtlichen Charakter. Er formuliert dabei knapp und treffend wie ein Epigrammatiker. Kein Wort, keine Zeile in Schatzdorfers reifem Werk sind überflüssig, könnten weggelassen werden. Jeder Ausdruck steht unverrückbar an seiner Stelle und dürfte nicht durch einen anderen ausgetauscht werden. Dazu kommt, dass die Verse stets für einen mündlichen Vortrag angelegt sind. Sie müssen mit dem Ohr aufgenommen werden. Denn dann wird auch die Schönheit der Sprache hörbar, der auf dem Vokalreichtum ruhende Wohlklang der Innviertler Mundart, die Lautmalerei, der Schmuck der Stabreime, das oft wechselnde Tempo, der Rhythmus.

Schatzdorfers Gedichte sind metrisch einwandfrei, die meisten strophisch klar aufgebaut. Er ist also ein Meister sowohl des Klanges als auch der Form. Hierin hat er es bei der Beherrschung des Hexameters, des klassischen Metrums Homers und Vergils, aber auch Goethes - und in der "Ahnl" Stelzhamers -, zu wahrer Meisterschaft gebracht.

Mit dem Hexameterepos "'s Drahbröttlgspiel, einer Spielergeschichte vom Roulett im Mirabell-Kasino in Salzburg" ist unserem Dichter ein wahrhaft grosses Kunstwerk gelungen. Es knüpft an die mit dem "Meier Helmbrecht" des Wernher von Gartenaere um 1280 begonnene Innviertler Erzähltradition an, die Franz Stelzhamer mit seinem "Soldatnvöda" und vor allem mit seiner"Ahnl" fortgesetzt und die Hans Schatzdorfer zu einem glanzvollen Höhepunkt geführt hat. Über die Bedeutung des "Drahbröttlgspiel" hat Oberstudienrat Prof. Dr.Alfons Etz im 95. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Ried im Innkreis (1966/67, S. 22-34) eine literaturkritische Studie ersten Ranges veröffentlicht, die unter Fachleuten große Beachtung gefunden hat.

Schrieb der Dichter, der vor zehn Jahren von dieser Welt schied, nur für Hörer und Leser seinerZeit, oder hat er auch noch für uns, seinen Nachfahren, etwas mitzugeben? Die Antwort fällt demjenigen nicht schwer, der einen der drei Bände Schatzdorfers zur Hand nimmt und zu lesen beginnt oder der die Langspielplatte "Da Wög duris Löbn" der Fa. Amadeo AVRS 1074 mit der Stimme des Dichters hört. Bei Schatzdorfer spricht der Sinnierer, der Philosoph, der in seiner Abgeklärtheit weiß, nur derjenige meistert das Leben, der das richtige Maß findet. "Da Wög duris Löbn" ("Zeidige Zwötschkn", S. 12) ist das Gedicht, welches am klarsten die geradezu "klassische" Lebensauffassung darlegt. Zu einer solchen inneren Überzeugung vom Wert des Maßhaltens ist etwa Stelzhamer nie gelangt. Stelzhamer war zuviel romatischer Schwärmer, drückte sich vor einer realistischen Sicht des Alltags. Stelzhamer hat, wie wir aus der Lektüre seiner Werke immer wieder spüren, die wahren Probleme des Lebens nicht bewältigt,- sehr im Gegensatz zu Hans Schatzdorfer. Für diesen war Dichtung, Kunst, etwas durchaus Reales, etwas, das mit zum Leben gehört. In seiner Altersdichtung weist er uns den Weg, die Nöte des täglichen Lebens zu meistern. Nicht durch Selbstmitleid, sondern durch Gottvertrauen und ehrliches Bemühen um einen redlichen Lebenswandel ist einem die innere Zufriedenheit gewiss. (Vgl. "Gottsgab", ebd., S.15.) Seinen Charakter hat Schatzdorfer durch sein ehrliches dichterisches Schaffen bloßgelegt. Wir Nachfahren, die wir sein Werk schätzen und lieben gelernt haben, sind ihm dafür dankbar.